Der Goldrausch der Ostfriesen

Im 15. Jhd. in der Zeit der Reichsgrafschaft in Ostfriesland fallen die Ostfriesen geradezu in einen Goldrausch. Nach langwierigen Häuptlingskämpfen ist das Land befriedet und unter der Regentschaft von Graf Ulrich kommt es zu einer Blütezeit, in der Handwerk und Kunst florieren. Seefahrer und Kaufleute bringen von ihren Reisen Schmuck und edle Gebrauchsgegenstände nach Friesland und verbreiten so auch die Technik des Filigrans, die in Byzanz und im ganzen Fernen Osten schon lange bekannt war. Die zu Reichtum gekommenen Friesen wollen mit dem französischen Landadel mithalten, sie wollen sich ebenso prächtig herausputzen und Gold fließt ja über den Fernhandel reichlich ins Land.

Seit jeher hatten Silber und Gold bei den Friesen eine große Rolle gespielt, hatte doch schon Karl der Große – so ist überliefert- ihnen gestattet, sich von Kopf bis Fuß mit Gold zu behängen, soviel sie nur tragen konnten, und zwar ohne Steuern darauf zu bezahlen. So ist es nicht allzu verwunderlich, daß auch Gräfin Anna von Ostfriesland, sonst für ihre Sittenstrenge und ihre Bescheidenheit bekannt, in einer Polizeiverordnung 1545 die ostfriesischen Edelfrauen geradezu dazu auffordert, ihren Reichtum öffentlich zur Schau zu stellen. Und die Ostfriesen halten sich daran. Frauentrachten entstehen über und über mit Goldplatten verziert, die mit Scharnieren verbunden sind, besetzt mit kostbaren Edelsteinen. Selbst Strümpfe und Schuhe sind mit Gold besetzt und ein Gürtel soll allein zwei Pfund gewogen haben.

Zur Tracht gehörte auch ein Diadem, von dem ein Stück 1894 gefunden wurde. Es war aus zwanzigkarätigem Rotgold und ebenfalls mit Edelsteinen und Perlen besetzt. Leider ist dieses kostbare Fundstück im zweiten Weltkrieg verschwunden. Auch von den Trachten ist keine erhalten. In der Reformationszeit brach der Goldrausch der Friesen ab und das Gold der Trachten ist wohl zu Münzen und anderem Gebrauch eingeschmolzen worden.

Lediglich dem berühmten „Hausbuch" des Unico Manninga von 1561 verdanken wir unser detailliertes Wissen. Manninga, ein weitgereister

 

Edelmann, beschreibt die vor Gold nur so strotzenden, panzerartigen Gewänder und hat auch Farbtafeln in sein Werk eingefügt. Nach seinen Angaben gab es etwa dreißig Familien in Ostfriesland, die eine solche Tracht besaßen. Aber auch die Frauen des Mittelstandes sollen sich mit Goldplatten, verziert mit Edelsteinen und feinem Filigran, geschmückt haben. Gold galt ganz allgemein als wertbeständige Kapitalanlage, selbst bei Bauern, Kaufleuten und Handwerkern.

 

Der Siegeszug des Filigrans

Zu einer zweiten großen Blüte der Goldschmiedekunst in Ostfriesland kam es um 1750 mit dem entgültigen Siegeszug des Filigrans. Kostbarer Familienschmuck entstand, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde.

Dieser traditionelle ostfriesische Filigranschmuck besitzt immer wiederkehrende Betsandteile wie Herzen, Rosetten und Muscheln aus Gold, aber auch Ranken, Schiffchen und Kreuze.

Auch in den kleineren Orten Ostfrieslands ließen sich nun Goldschmiede nieder und fertigten das traditionelle ostfriesische Filigran. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Goldschmiedefamilie Byl, die  durch drei Generationen hindurch seit 1806 ostfriesisches Filigran arbeitete und deren handwerkliches Können den Filigranschmuck über die Grenzen Ostfrieslands bekannt machte.